Wirtschaftskammer-Boss und ÖVP-Multifunktionär Harald Mahrer ist immer für ein Späßchen gut: Beim Opernball „witzelte er über seine „Sparsamkeit“ und „Mineralwasservorliebe“ und in der ORF-“Pressestunde“ meinte er zur 35-Stundenwoche schnippisch, dass er der das Licht abdrehen wolle. Seine Ausführungen zur Forderung der Gesundheits-, Pflege- und Sozialbeschäftigen bei den KV-Verhandlungen waren für viele Gewerkschafter*innen ein Déjà-vu. So meinte der „oberste Wirtschaftsführer“ wörtlich: „Wir werden in Österreich mit einer generellen Arbeitszeitverkürzung das Licht abdrehen. Dann können wir uns alle weiße Leintücher umhängen und geordnet zum wirtschaftspolitischen Friedhof marschieren.“ Denn aus Mahrers Sicht wäre dies eine „Jobvernichtungsmaschine“.
Kurze Rückblende
1968 „warnte“ der damalige WKO-Präsident Rudolf Sallinger, dass bei einer 40-Stundenwoche die „Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Betriebe“ leiden und sich die Wirtschaftsleistung deutlich verringern werde. Nach Einführung der 40-Stundenwoche blieb es fast 50 Jahre ruhig um einen weiteren generellen Schritt einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit.
Es dauerte zwar nicht lange und der ÖGB stellte erstmals die Forderung nach der 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich. Auch in den darauffolgenden Jahren fehlte in fast keinem Leitantrag des ÖGB und der Gewerkschaften diese Forderung. Was allerdings fehlte, war eine flächendeckende konsequente Mobilisierung und Umsetzungsstrategie dafür.
Heute wird in Österreich wieder intensiv über die Länge der Arbeitszeit diskutiert. Anlass dafür sind die Zwangsverkürzung durch Teilzeitarbeit und der damit folgenden Existenzprobleme einer jungen Generation, der „Buggeln, buggeln und nochmals buggeln“ nicht mehr das oberste Gebot ihres Lebens ist. Sie verlangt eine vernünftige Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Und nicht zu vergessen, die Streiks der Beschäftigten der Sozialwirtschaft für eine 35-Stundenwoche bei vollen Lohn- und Personalausgleich.
Sozialpartnerschaft ist tot
Der Arbeitskampfwille der betroffenen Pflegebeschäftigten war groß, die mediale Berichterstattung über die in Österreich sonst fast tabuisierten Streikbewegung war positiv, der öffentliche Druck wurde größer, dass die Forderungen in der Sozialwirtschaft ein Einfallstor für eine generelle Arbeitszeitverkürzung sind.
Aber auch die Gewerkschaften sind gefordert. Der öffentliche Druck für Arbeitszeitverkürzung verlangt ein rasches Handeln. Als sicher gilt, dass der nächste Schritt der Arbeitszeitverkürzung nicht wie Ende der 1950er Jahre bei 45 Stunden und Mitte der 1970er Jahre zwischen den Sozialpartner*innen paktiert und vom Gesetzgeber nachvollzogen wird.
Auch der herrschende Gesetzgeber, ein ständig etwas anderes Parteiengemisch aus mehr oder minder neoliberalhörigen Marionetten wird nicht ohne Zutun und freiwillig die Arbeitszeit verkürzen. Im Gegenteil, schwarz-blau brachte eine 60-Stundenwoche und den 12-Stundentag! Und die neue schwarz-grüne Regierung zeigt kein Anzeichen dies wieder rückgängig zu machen.
Junger Wein in alten Schläuchen
Wollen ÖGB und Gewerkschaft den vorherrschenden öffentlichen Druck für eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich erfolgreich nutzen, müssen sie selbst „auf ein Déjà-vu setzen“. Der Arbeitskampf mit Betriebsversammlungen, Demos, Protestaktionen und Warnstreiks in der Sozialwirtschaft Österreichs zeigt, dass dies nicht unmöglich und durchaus erfolgreich sein kann.
„Daher Weg von der Sozialpartnerschaftshörigkeit und Mut zu Mobilisierung und wirtschaftsschmerzenden Kampfmaßnahmen“ ist die GLB-Anforderung an die sozialdemokratiegelähmten Gewerkschaftsführungen. Inhaltlich meinen die Linksgewerkschafter*innen, dass der Maßstab für die Arbeitszeit die Entwicklung der Produktivität sein muss.
Daraus leitet sich ihre Forderung nach einer radikaleren Arbeitszeitverkürzung auf 30-Wochenstunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich ab, der durch Gewerkschaften und Arbeiterkammer nachprüfbar und einklagbar sein muss, damit es zu keinem Unterlaufen des Personalausgleichs sowie des „Freizeit- und Erholungseffekts“ aufgrund von kontinuierlicher Produktivitätssteigerung und ausgeklügelten Mehrarbeitsregelungen kommt.
PS: Corona-Krise
Kaum war der Artikel geschrieben wurde durch die Corona-Pandemie „die Welt auf den Kopf gestellt“. Nicht dass Arbeitszeitverkürzung keine Rolle mehr spielen, nur im Moment heißt diese Kurzarbeit oder gar Kündigung. Auch nach der Krise ist zu befürchten, dass Kapital und ihre neoliberalen Politik-Führungsmarionetten mit dem Verweis, dass jetzt Aufbau notwendig sei, einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich massiv abschwören werden.
Umso wichtiger ist der eingangs geforderte Arbeitszeit-Verkürzungsdruck auf die Gewerkschaften. Gleichzeitig bedarf es für die Beschäftigten der systemrelevanten Branchen sofortige Sicherheit, dass ihnen nach der Krise ihre Arbeitsbedingungen nachhaltig erleichtert werden. Eine Online-Petition mit Erstunterzeichner*innen aus den unterschiedlichsten politischen und gesellschaftlichen Lagern fordert daher eine um fünf Stunden verkürzte Normalarbeitszeitwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Unterstützung unter: https://www.openoffice.eu/minus5
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