Pflegebeschäftigte, zu Beginn der Corona-Krise konnten sie sich über täglich beklatscht zu werden freuen. Jetzt, nach jahrelangem Herumgerede, bekommen sie eine, wenn auch bescheidene und unzureichende Pflegemilliarde, für ein besseres Einkommen, Ausbildung und Arbeitsbedingungen. Was allerdings bleibt: „Wenn das Pferd lahmt“, wird Pflegeassistent*in „geschlachtet“.
Der Pflegeberuf ist kein einfacher Job: unregelmäßige Dienste, Stress, ungewohnt hohes Arbeitsaufkommen , Leistungsdruck, fehlende Pausen bzw. Freizeitausgleich zehren an der Gesundheit und hinterlassen gravierende physische und psychische Belastungen. Die Folge, sie können ihren Beruf nicht länger oder nur eingeschränkt ausüben.
Eine betroffene Pflegeassistentin berichtet:
Vor 20 Jahren, nach langer Familienarbeit startete sie nach dem Abschluss der Ausbildung zur Pflegeassistentin (vormals Pflegehelfer) in ihr „zweites“ Berufsleben. Auch danach investierte sie viel (Frei)zeit für Weiterbildung und ihre Zusatzausbildung zur Pflege psychiatrischen Erkrankungen. Allles neben ihren Assistenzjobs bei betreutem Wohnen, bei der Pflege und Betreuung älterer physisch psychiatrisch belasteter Menschen und in der Schulassistenz. Oftmals in „Mini-Teilzeitbeschäftigungen“ bei mehreren Dienstgeber*innen gleichzeitig, um überhaupt ein Einkommen zum Auskommen zu haben.
Ein Einsatz mit Folgen: Überlastung ihres Bewegungsapparates und psychische Totalerschöpfung, einhergehend mit Depressionen. Die Krankenstände häuften sich, fünf Jahre vor dem Ruhestand wurde sie dann krankheitsbedingt überhaupt arbeitsunfähig. Sie bekam für ein Jahr die Berufsunfähigkeitspension zugesprochen. Die Befristung wurde zweimal um ein weiteres Jahr verlängert.
Bist du krank, bist du nix wert!
Trotzdem, eineinhalb Jahre vor der Regelpension war gesundheitlich nicht an Lohnarbeit zu denken. Ihre Ärzt*innen befunden, dass eine Arbeit in ihrem Beruf nicht möglich ist. Nur diesmal verweigerte die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Verlängerung der Berufsunfähigkeitspension und begründete dies mit dem fehlenden Berufsschutz für Pflegeassistent*innen und außerdem sei diese Arbeit ohnehin keine Angestelltentätigkeit. Die berechtigte Frage “Warum dann vorher drei Jahre Berufsunfähigkeitspension genehmigt wurden”, lässt die PVA offen.
Um nicht einkommenslos dazustehen, muss sie zum AMS. Trotz ihrer Befunde ist sie jetzt rechtlich gezwungen, mit dem AMS eine Vereinbarung zu treffen, die teilweise das Gegenteil behauptet. Anders hat sie keine Berechtigung auf eine Arbeitslosen- und späterer Folge Notstandshilfeleistung.
Warten auf den Gerichtstermin, warten auf AMS-Reaktionen und auf Termine der Untersuchungen vierer gerichtlich beeideten Sachverständigen. Die Ungewissheit ist alles andere für Besserung noch Heilung dienlich – im Gegenteil, sie fühlt sich immer unnützer, und die Depressionen verschärfen sich.
Gerichtliche Wertschätzung der besonderen Art
Auch die Gerichtssachverständigen kamen zum Ergebnis, dass „keine Tätigkeit einer Pflegeassistentin mehr zumutbar“ ist, aber „leichte, geistige Arbeiten“ möglich wären. Zum Berufsschutz äußerte sich das Arbeits- und Sozialgericht: „Nach der geltenden Judikatur entspricht die Ausbildung als Pflegeassistentin nicht einer Ausbildung in einem Lehrberuf und auch keiner Angestelltentätigkeit, weshalb auch kein Berufsschutz begründet wird, dies auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin absolvierten Weiterbildungen und Seminare im Pflegebereich.“
Am Arbeitsmarkt käme für sie beispielsweise „Geschirrabräumerin in der Systemgastronomie mit österreichweit (frei und besetzt) mehr als 100 Arbeitsstellen“ in Betracht. „Wohnsitzwechsel, sowie Tages- und Wochenpendeln ist zumutbar.“ Besagte Pflegeassistentin hat die Klage zurückgezogen. Es sei gesünder, das halbe Jahr bis zur Regelpension im Notstand durchzutauchen, als weiter auf ein ohnehin negativ zu erwartendes Urteil zu warten.
Die Conclusio:
Pflegearbeit birgt außerordentliche große psychische und physische Belastungen. Die Wertschätzung für die Arbeit ist im Steigen, sie endet allerdings abrupt bei der eigenen Erkrankung.
Jetzt will die Bundesregierung den Pflege-Personalnotstand mit einer Pflegelehre bekämpfen. Nur, Jugendliche mit 15 Jahren, befinden sich selbst noch in einem psychologisch sensiblen Entwicklungsstadium, Pflegearbeit ist für viele noch unvorstellbar und sicherlich auch unzumutbar. Allerdings ist die Aufwertung des Berufsstandes der Pflegeassistent*innen dringend notwendig und ein „Lehrabschluss“ würde den Berufsschutz sichern.
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