Wer kann sich noch erinnern? Als vor einigen Jahren die Einsatzfahrzeuge vom Pannenstreifen in die Rettungsgasse umgeleitet wurden, gab es böse, bitterböse Unkenrufe. Die ewigen »Schwarzseher_innen« befürchteten den stillen Einstieg in die dritten Autobahnspur. Herrschende Politik und ihre Straßenverwaltungspartnerin, die ASFINAG, hatten dies sofort vehementest dementiert. Jetzt ist es soweit! Der Ruf nach einer dritten Spur auf der Inntalautobahn (A 12) wird lauter. Zwar »nur temporär« zwischen Innsbruck-West und Zirl-Ost und in den Morgen- und späten Nachmittagsstunden, aber nach der Rettungsgasse eine deftigere Einstiegsdroge für noch mehr Straßenverkehr! Ist bekannterweise die Transportwirtschaft schon jahrelang süchtig danach, verfallen jetzt auch Tirols Landesrote und -Blaune der Droge »mehr, mehr und noch mehr Straßenverkehr«. Durch die Beschleunigung des Verkehrsflusses sehen sie beide eine Verbesserung der Luftqualität für die betroffenen Anrainer_innen. Dass bis jetzt jede zusätzliche Straßenspur nichts Flüssiges, sondern steigendes Verkehrsaufkommen gebracht hat, übersehen sie (wissentlich?) in ihrem Verkehrsrausch.
Wer kann sich noch erinnern, die Zweite? Auch als sich der Brenner Basistunnel in der Planungsphase befand, gab es die bösen und bitterbösen Unkenrufe. Auch hier stellten Schwarzmaler_innen das hehre Ziel der Herrschenden, nämlich »Schiene statt Straße« in Frage. Ich muss mich outen, damals meinte ich bei einer Podiumsdiskussion in Bozen: »Das BBT-Projekt ist eine Wahnsinnsverschleuderung von ökonomischen und ökologischen Ressourcen und die Bevölkerung wird mehrfach gemoppelt. Sie finanzieren, sie leiden an der weiterhin rollenden Straßen-Verkehrslawine und sie müssen mit den Umweltfolgen leben.« Der BBT ist auf Schiene, voraussichtlich ab 2026 in Betrieb. Täglich sollen dann 400 Züge statt der derzeit 200 Züge die Scheide zwischen Deutschland/Österreich und Italien passieren. Nur, der Entlastungsbau BBT ist jetzt um ein Gustostückerl der Irrationalität reicher. Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will den notwendigen vierspurigen Ausbau der bayerischen Zulaufstrecke »etwas strecken«, nämlich um rund 20 Jahre. Er sieht den Baubeginn für den Ausbau in Bayern nicht vor 2035, oder anders gesagt erst zehn Jahre nach der Fertigstellung des Basistunnels.
Jetzt kommt die Wahrheit zu Tage. In der Planungsphase wurde das Projekt zu schönfärberisch präsentiert. Sebastian Kummer, Experte für Transportwirtschaft von der Wirtschaftsuniversität Wien, hält die angepeilten 400 Züge pro Tag für nicht realistisch und bezweifelt den Verlagerungseffekt, »weil die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen fehlen und es außerdem mit dem Gotthard-Tunnel in der Schweiz Konkurrenz gibt«.
Und, wer kann sich noch erinnern, die Dritte: Vor der letzten Landtagswahl prolongierten Tirols Grüne als primäres Ziel ein 365-Euro-Verkehrsticket für Gesamt-Tirol. Auch hier gab es Unkenrufe, mit dieser ÖVP wäre das nicht möglich, so die Kritiker_innen. Die Grünen sind jetzt in der Landesregierung, nach zwei Jahren können sie ein neues Landesticket präsentieren; es kostet allerdings nicht die angepeilten 365, sondern 490 Euro. Zweifelsohne für die Nutzer_innen eine deutliche Erleichterung! Nur unverständlich, dass die Grünen jetzt ihren Erfolg in sozialdemokratischer Manier als Bestlösung verkaufen wollen: Tirol habe eben mehr Verkehrsanbieter_innen als Wien und weniger Bahnkilometer als Vorarlberg, wo das 365-Euro-Ticket Realität ist. Daher sei das neue Tirol-Ticket das österreichweit beste Angebot für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel.
Alles Verkehr(t) also in Tirol. Nur, wir sind weder eine selige noch unselige Insel in unserem Lande, auch österreichweit ist es um den Verkehr nicht anders bestellt.
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