Beim Handel stehen alle Warnsignale auf Vorsicht, die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten wird diskutiert. Nicht eine über eine Verkürzung, wie das Jammern über fehlende Arbeitskräfte erahnen ließe, sondern der REWE-Konzern-Österreich-Chef Marcel Haraszti verlangt eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten von aktuell maximal 72 auf insgesamt 80 Wochen-Stunden. Der freie Sonntag soll laut ihm nicht angetastet werden.
Dafür machen sich andere stark. Als prominentester Vorreiter gilt „Richi” Lugner. Seit 25 Jahren plädiert er für verkaufsoffene Sonntage: Obwohl er bereits 2012 und 2015 dafür am Verfassungsgerichtshof abgeblitzt ist, hinderte ihn das nicht, 2017 zu fordern die „steinzeitlichen Öffnungszeiten” für die vielen arbeitenden Frauen aufzulassen und ihnen so am arbeitsfreien Sonntag Einkaufsmöglichkeiten zu verschaffen.
Weitere zwei Jahre später verlangte er einen verkaufsoffenen Sonntag im Monat und im November 2022 wollte er mit dem verkaufsoffenen vierten Adventsonntag den Fuß in das geschlossene Sonntags-Ladenöffnungsgesetz-Tor bekommen.
Aber nicht nur der schrullige Baumeister mit seinem Wiener „Mausimaus“-Einkaufzentrum fightet für die Sonntagsöffnung. Auch der Österreichische Handelsverband und der ACSC (Austrian Council of Shopping Centers) als Vertreter der Shopping Center rittern für mindestens bundesweit sechs verkaufsoffene Sonntage. Eines ihrer Argumente ist die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen.
Doppelzüngiger Handelsverband
Bei den Arbeitsplätzen dreht sich der Handelsverband so, wie es ihm gefällt. Beim Wirtschaftskammer-Handelstag im September 2023 gab es vom Handelsverbands-Chef und WK-Spartenobmann Rainer Trefelik kein Wort über zusätzliche Arbeitsplätze. Im Gegenteil, über Arbeitskräftemangel wurde gejammert. Unerwähnt blieb auch, dass mehr als die Hälfte aller Handelsjobs (bei den Frauen sind es fast drei Viertel aller Jobs) Teilzeitbeschäftigungen sind. Immerhin würden laut Eurostat 8,3 Prozent aller Teilzeit-Erwerbstätigen gerne mehr Stunden arbeiten und könnten innerhalb von zwei Wochen damit beginnen.
Wenn es so einen gravierenden Arbeitskräftemangel gibt, warum bekommen diese Beschäftigten keine Vollzeit-Arbeitsstelle? Vielleicht deshalb, weil Teilzeitkräfte viel flexibler einsetzbar sind und weit effizienter und kostengünstiger arbeitsintensive Zeiten abdecken können und so die Gehaltskosten minimieren und die Profite steigen!
Geiz ist geil
Das Handelsverbands-Gewimmer im Oktober 2023 hat Gründe. Ein böser Schelm, der jetzt denkt, dass es zufällig mit dem Beginn der jährlichen Gehaltsverhandlungen zusammenfiel und das bescheidene Erstangebot rechtfertigen sollte?
Zur Erinnerung, „gönnerhaft“ wollten die Händler:innen „ihren geschätzten Mitarbeiter:innen” eine zwei Drittel unter der rollierenden Inflation liegende Gehalts”erhöhung” zugestehen. Zur Versüßung des frechen Lohnraubs wurde noch ein Trostpflaster einer Einmalprämie – aufgeteilt auf zwölf Monatsraten – angekündigt.
Ebenfalls zur Erinnerung, erst nach sieben Verhandlungsrunden und dem schon fast als traditionell zu bezeichnenden Gewerkschaftsprotest wurde eine Einigung mit durchschnittlich 8,4 Prozent KV-Gehaltserhöhung für die Handelsangestellten erzielt. Sie liegt damit noch immer fast ein Prozent unter der rollierenden Inflationsrate und sinkt noch deutlicher zur tatsächlichen Teuerung des täglichen Bedarfs ab.
Der WK-Handelshäuptling jubelte ebenfalls darüber und ließ dafür die funktionierende Sozialpartnerschaft hochleben. „Aus Sicht der Lohn- und Gehaltsabhängigen ist es dringend notwendig, dass sich ÖGB und Fachgewerkschaften aus den Klauen der Sozialpartnerschaft befreien und für echte Lohn- und Gehaltserhöhung mobilisieren”, konterte der GLB-Handels- Betriebsratsvorsitzende Gerhard Wimmer.
Zurück zur von der REWE-Leitung gewünschten Ladenöffnungs-Ausweitung: Gerade im Lebensmittelhandel wird damit der ohnehin schon seit Jahren vorherrschende Verdrängungswettbewerb weiter vorangetrieben. Der bringt REWE und SPAR, aber auch regionalen Ketten wie beispielsweise dem Tiroler M-Preis gleich mehrere Leckerbissen. Die Konkurrenz reduziert sich, die Preise können danach ansteigend diktiert werden und das freiwerdende Personal der geschlossenen Kleinen kann nebenbei günstig eingesackt werden.
Wollen sich Gemeinden trotzdem den Luxus der Nahversorgung leisten, gibt´s dafür die Schiene der konzerneigenen Minimärkten – mit geringstem Personalaufwand und schmalem, aber höherpreisigen Angebot. Und die Standortkosten sollen im besten Fall hundertprozentig von der Kommune „gefördert” werden. Anders gesagt, für die ohnehin teureren Lebensmittel werde wir über unsere Steuern und Abgaben ein zweites Mal zur Kasse gebeten.
(Beitrag für die GLB-Zeitschrift „Die Arbeit“ Nr. 2/2024)
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