Bis vor kurzem galten Arbeitslose oft als faul und als Sozialschmarotzer*innen, ihre Bezüge wurden überdimensioniert dargestellt. „Ein deutlicher Unterschied zwischen Arbeitseinkommen und Arbeitslosen-, Notstands- und der Mindestsicherungsbezug muss spürbar sein“, trommelten vor allem die Akteur*innen von Schwarz und Blau.
Seit der Coronakrise waren in der 2. Republik noch nie mehr arbeitslos gemeldet als derzeit. JedeR kennt in der Zwischenzeit in seinem persönlichen Umfeld jemanden, der/die vom Arbeitsplatzverlust betroffen ist. Die Debatte um die Höhe des Arbeitslosengeldes (ALG) läuft jetzt in Richtung „viel zu wenig“.
Es beträgt 55 Prozent des Nettoeinkommens. Der Grundbetrag berechnet sich aus den monatlichen Beitragsgrundlagen. So die Theorie, in der Praxis liegt es oft unter den 55 Prozent. Zur tatsächlichen Berechnung wird der Vorjahres- oder gar Vor-Vorjahresbezug herangezogen, es fehlt zumindest eine KV-Erhöhung und den in der Zwischenzeit erhaltenen Biennalsprung.
ÖGB will 70-prozentige Ersatzrate…
… und das seit Jahren. Unter anderem war die grünnahe Fraktion AUGE dafür besonders aktiv. Hoffnung keimte, dass mit grüner Regierungsbeteiligung Bewegung in die Diskussion kommt. Leider nicht, „die ALG-Umgestaltung ist jetzt nicht sinnvoll, sondern erst Beschäftigungskrise überwunden ist“, konterte die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer bei einem Interview gegenüber der Krone.
Nach einem FB-Shitstorm bekam sie Unterstützung von ihrem Parteifreund und ehemaligen AUGE-Spitzenfunktionär Markus Koza: „Wir haben das ALG im September um 450 Euro erhöht.“ Eine Reform mit höherem Anfangsbezug mit 70 Prozent, der mit der Zeit auf maximal 55 Prozent absinkt und dem Erhalt der Notstandshilfe sind weiter eine zentrale Säule der Grünen.
Was spricht dann gegen sofortige Umsetzung des erhöhten ALG-Geldes? Gerade jetzt kämpfen viel zu viele Menschen mit ihrem unfreiwillig gekürzten Einkommen. Am fehlenden Geld kann es ja nicht liegen. Bundeskanzler Sebastian Kurz meinte doch zur Coronakrise: „Regierung hilft, koste es was es wolle!“ Oder gibt es ein fertiges Konzept in den Regierungsschubladen, das weder die 70 Prozent am Anfang, noch die 55 Prozent nach langer Arbeitslosigkeit vorsehen?
Apropos Einmalzahlung,…
…, „ein Bonus. keine Erhöhung! Eine Einmalzahlung ist – auch beim zweiten Mal – keine nachhaltige Lösung. Das verunsichert arbeitslose Menschen enorm“, so Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB. Denn die Kosten für Wohnen und Leben bleiben immer bei hundert Prozent, vor und nach Arbeitsplatzverlust.
Ihr Vorgänger, Volksanwalt Bernhard Achitz deckt auf, dass selbst diese Almosen-Aktion nicht das Ende der Fahnenstange ist: „Diejenigen Menschen, die es besonders hart getroffen hat, weil sie zusätzlich zum Jobverlust auch noch krank geworden sind, bekommen gar nichts!“
Beispiel gefällig,…
…, Herr K. wartete auf eine Operation, die wegen Corona lange verschoben wurde. Er war also im Krankenstand. Deshalb hat er kein Arbeitslosengeld, sondern Krankengeld bekommen – und dieser Zeitraum zählte nicht für die 60 Tage Arbeitslosigkeit, die man benötigt, um die 450 Euro zu bekommen. Auch einen reduzierten Betrag hat er nicht bekommen“, berichtete Bernhard Achitz in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“.
(veröffentlicht in der GLB-Zeitschrift „Die Arbeit“ Nr.4/2020)
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