Gedanken zum Frauentag

Zu Beginn der 90iger Jahre des vorigen Jahrhunderts stellte ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof (VfGH) „die herrschende Politik auf den Kopf“. Ein männlicher Beschwerdeführer füllte sich durch das gesetzlich geschlechtsunterschiedlich geregelte Pensionsalter diskriminiert und der VfGH gab ihn dazu recht. In der Begründung sahen die Verfassungsrichter zwar, dass Frauen in der Mehrzahl noch immer durch Haushaltsführung und Kindererziehung einer Mehrbelastung ausgesetzt seien, stellten aber gleichzeitig fest, dass ein unterschiedliches Pensionsalter von Frauen und Männern als Ausgleich kein geeignetes Mittel darstellt.

Um die Schlechterstellung bzw. Diskriminierung von Frauen in gesellschaftlicher, familiärer und ökonomischer Hinsicht abzubauen, erstellte Johanna Dohnal gemeinsam mit Frauen unterschiedlichsten politischen Couleurs (nur die FPÖ verweigerte sich ) das sogenannte Gleichbehandlungspaket als notwendige Mindestvoraussetzung bevor schrittweise eine Angleichung des Pensionsanfallsalters wirksam werden kann. Den handelnden Akteurinnen war schon damals klar, dass dies nicht von heute auf morgen erledigt sein wird. Die Angleichung des Pensionsalter sollte daher erst 30Jahre später, also 2024 stattfinden: Stufenweise angehoben: Und zwar um jeweils 6 Monate pro Jahr. Bis zum Jahr 2033: Dann können Frauen auch erst mit 65 Jahren in Pension gehen.

Und heute, fast 30 Jahre später?

  • Selbst im EU-Vergleich liegt Österreich mit einer Lohndifferenz von 19,9 Prozent weiterhin deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 14,1 Prozent, nur in Lettland und Estland waren die Lohnunterschiede größer
  • Diese Lohndifferenz setzt sich in der Pension fort, verschärft durch fehlende Beitragszeiten aufgrund von Kindererziehung und Familienarbeit. Armut ist weiblich!
  • Nur insgesamt 3,8 Prozent der unselbstständig erwerbstätigen Frauen üben eine führende Tätigkeit aus, bei den Männern sind es hingegen 8,1 Prozent. Diese Unterschiede bestehen auch bei gleichen Bildungsabschlüssen, besonders auffällig ist das bei den Hochqualifizierten. 8,6 Prozent der Frauen mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss waren in Führungspositionen tätig. Bei gleich gut qualifizierten Männern waren es hingegen 18,9 Prozent.
  • Die Teilzeitquote der Frauen stieg zwischen 2009 und 2019 von 43,1 Prozent auf 47,7 Prozent. Bei den Männern stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 8,8 Prozent auf 10,7 Prozent. Vor allem bei Frauen mit Kindern ist Teilzeitbeschäftigung die dominierende Form. Die 25- bis 49-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiteten zu 74,3 Prozent in Teilzeit, Männer mit gleichaltrigen Kindern hingegen nur zu 5,6 Prozent.
  • Als Folge niedrigerer Einkommen haben Frauen zudem schwerwiegende Nachteile bei der sozialen Absicherung, insbesondere im Alter
  • In der CoV-Pandemie ist die Frauenarbeitslosigkeit überdurchschnittlich angestiegen
  • Frauen bleiben länger arbeitslos als Männer
  • Frauen wurden öfter in Kurzarbeit geschickt, nämlich 27,4 Prozent gegenüber 23,1 Prozent der Männern.
  • Auch die Karrierechancen für Frauen haben sich aufgrund der Pandemie noch zusätzlich verschlechtert.
  • Selbst die wenigen weibliche Führungskräfte (62 Prozent) erleben wesentlich häufiger eine Verschlechterung ihrer Work-Life-Balance als ihre männlichen Kollegen (39 Prozent).

Die unvollständige Liste bei der Arbeitswelt ist nicht der einzige Ungleichbehandlungsfaktor

Mindestens ebenso lang ist die Liste der Ungleichbehandlung im Privaten, in den Familien und in der Gesellschaft. Nur einige wenige Beispiele dazu: teurere Frauen-Hygieneartikel, höhere Kreditzinsen und nachwievor eine ungleiche Lastverteilung bei der Familien- und Kinderarbeit.

Selbst beim Klogang in öffentlichen WC-Anlagen herrschen oft noch unterschiedliche Bedingungen für Männern und Frauen. Da wird, wie erst dieser Tage am ÖBB-Bahnhof Wr. Neustadt erlebt, bei Frauen auch „fürs kleine Geschäft“ abkassiert, während Männer kostenlos pinkeln dürfen.

Dazu kommt, dass  in Österreich der Anteil der Frauen, die körperliche Gewalt erlebt haben, einer der höchsten in der EU ist. Sechs Prozent der Frauen in Österreich erlebten körperliche Gewalt. Bei jungen Frauen zwischen 16 und 29 Jahren sind es 20 Prozent.

Heuer jährt sich der Internationale Frauentag zum 110. Male und vorangehende Zusammenfassung zeigt deutlich, dass er ist weder überholt noch überflüssig ist Auch heute gilt, traditionelle Rollenbilder müssen dringend aufgebrochen werden. Denn, „es geht um keine Sonderrechte, sondern um Menschenrechte“, meinte schon Clara Zetkin 1910 bei der Frauenkonferenz der Sozialistischen Internationale.

Teilen

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*