Ich möchte mit meinen heutigen Kommentar dort fortsetzen, wo Genin. Schulz gestern endete. Als Beispiel ziehe ich die bevorstehende Landtagswahl in Niederösterreich heran:
Zu Jahresbeginn hat der niederösterreichische Landesvater Erwin Pröll im Alleingang die Landtagswahl vorverlegt. Von einen Tag (9.1.2008) auf den anderen stand die KPÖ (und natürlich auch andere kleine WahlwerberInnen) vor dem Problem, dass die notwendigen Unterstützungsunterschriften von 11. Jänner an bis spätestens 8. Februar gesammelt sein müssen. – Demokratisch nicht wahr?
50 Stück davon sind in jedem der 21 niederösterreichischen Bezirke notwendig vor dem Gemeindeamt unterzeichnet oder gerichtlich oder notariell beglaubt (ein Niederösterreich Novum anderswo wird sogar Gericht und NotarInnen misstraut und jedeR muss auf jeden Fall persönlich zur Gemeinde pilgern). Die Landtagsparteien brauchen dafür nur die Unterschriften von drei Abgeordneten – sie sind soviel wert wie 1050 BürgerInnen. Die Abgeordneten dürfen natürlich auch mehrere Wahlvorschläge unterstützen, jedeR andere Wahlberechtigte nur einen. – Demokratisch nicht wahr?
Die Senkung des Wahlalters machte die Änderung aller Wahlrechte notwendig. Mit der neuen Briefwahl muss WählerIn nicht mehr zwingend zur Wahlurne wandern, sondern kann auch bequem vom Sofa aus die Stimme abgeben. Auch über wählen via Internet wird nachgedacht – die Unterstützungsunterschriften sollen aber weiterhin nur bei der Gemeinde möglich sein. – Demokratisch nicht wahr?
In Niederösterreich sind auch ZweitwohnbesitzerInnen wahlberecht. Nicht weil Niederösterreich demokratischer ist, sondern da früher der Landeshauptsitz in Wien war und viele Wiener VP-WählerInnen außerhalb Wiens einen Wochenendwohnsitze haben. Als gebürtiger NÖSI mit Tiroler Hauptwohnsitz bin ich auch in Niederösterreich wahlberechtigt. Für die KPÖ-Unterstützungserklärung stellte sich die Frage Beglaubigung bei Notar oder Gericht? Ich entschied mich fürs Bezirksgericht, da ich davon ausging, dass die Beglaubigung der Unterstützungserklärung gebührenbefreit ist und ich daher diese Dienstleistung – im Gegensatz zu Notaren – kostenlos bekommen würde. Weit gefehlt: 25 Euro musste ich dafür berappen, bei einem Notariat hätte ich dafür 13,50 und 23,80 Euro (lt. Telefonischen Auskünften) gelöhnt. Die Unterschriften aufbringen kann in NÖ also bis zu 25.000 Euro Gebühren kosten. – Demokratisch nicht wahr?
NÖ hat 21 Wahlkreise (Bezirke) – im ersten Wahlverfahren werden in jedem Bezirk Direktmandate vergeben, im zweiten Wahlverfahren werden von den Reststimmen, die Restmandate ermittelt eine sanfte Form eines Mehrheitswahlrechts. Ein Landtags-Mandat kostet daher unterschiedlich viel. Verschärft wird diese Situation noch dadurch, dass nur Wahlwerberinnen mit mehr als vier Prozent oder mindestens mit einem Grundmandat (dzt. außer für VP und SP unmöglich) zum zweiten Wahlverfahren zugelassen werden. – Demokratisch nicht wahr?
Nun zum Vorstoß für ein neues Mehrheitswahlrecht: Mit welcher Variante auch immer, eine Minderheit würde regieren und der Grundsatz, dass jede Stimme gleichviel wert ist, noch deutlicher mit Füßen getreten. Mit der Einführung eines Mehrheitswahlrechtes bleiben in jedem Fall die WählerInnen als Souverän und damit der Artikel Eins der Bundesverfassung auf der Strecke. – Demokratisch nicht wahr?
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