Der Schweizer Soziologe Simon Schaupp fordert in seinem neuen Buch „weniger Arbeit und mehr Nutzlosigkeit”. Dabei erklärt er wie Arbeit, Natur und Klimakrise zusammenhängen.
Das heißt nicht, dass wir in Zukunft nur mehr faul rumliegen sollen, sondern im Sinne von Wohlbefinden, Gesundheit und Freiheit uns gegen die Übernutzung unserer Körper und den Verschleiß der Umwelt wehren müssen.
In einem Interview mit der Schweizer Gewerkschaft UNiA meint der an der Universität Basel forschende Soziologe, dass „trotz Arbeitszeitverkürzung und Verlangsamung, aber auch durch das Zurückdrängen von kapitalistischen Logiken aus verschiedenen Lebensbereichen Faulheit aufgrund der planetarischen Krise kaum möglich sein wird”.
Als Beispiel führt er an, dass es in der Zukunft einen riesigen Zuwachs an notwendiger Sorgearbeit aufgrund von Konflikten und Flucht eher mehr Arbeit geben wird. Auch für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft wird viel mehr Arbeit notwendig sein.
Konsum ist falscher Ansatz
Besonders problematisch findet er, dass das Umweltthema immer nur mit dem Konsum gleichgesetzt wird. Ein falscher Ansatz, weil wir nicht frei entscheiden können, wie die Dinge hergestellt werden.
Vielmehr ist es wichtig, dass wir die Arbeit als politische Arena erkennen, wo wir nicht nur Löhne, sondern auch die Zukunft unseres Planeten aushandeln. Etwa die Verhandlungen für den Landesmantelvertrag:
Skepsis am Bau
Der Baumeisterverband meinte, dass es wegen Extremwetters zu viele Arbeitsunterbrechungen gebe, deshalb müsse länger gearbeitet werden. Sie wollten den 12-Stunden-Tag und die 58-Stunden-Woche ermöglichen. Die Bauarbeiter:innen hatten eine starke Distanz gegenüber der Klimapolitik und der Klimabewegung, sie war für sie zu akademisch und elitär.
Gleichzeitig kritisieren sie ihre eigene Branche aber mit ökologischen Argumenten: „Man geht mit der Natur um wie mit uns”, oder „alles müsse möglichst billig sein”.
Die Gewerkschaft UNiA forderte daher bezahlte Freistellungen, wenn das Wetter gefährlich ist, also eine Arbeitszeitverkürzung. Somit wurde indirekt auch ausgehandelt, wer die Kosten der Klimakrise trägt.
Österreich im Spitzenfeld
Die Schweiz hat die höchste durchschnittliche Arbeitszeit in Europa. Österreich befindet sich mit 41,7 Wochenstunden ebenfalls im europäischen Spitzenfeld. Die steigenden Arbeitszeiten und damit einhergehende stressbedingten Krankheiten sind bereits ein gravierendes Problem.
Ein weiterer Faktor ist der stressbedingte, gesundheitsschädliche Konsum aufgrund zu kurzer Pausenzeiten: zum Beispiel Junkfood-Konsum und ungesundes Runterschlingen der Mahlzeiten.
Wachstum als Dogma
Der kapitalistische Glaubenssatz „die Wirtschaft muss wachsen” verbraucht immer mehr Ressourcen, ökologische Natur und menschliche Arbeitskraft – durch mehr Arbeitsstunden und durch intensivere Arbeitsleistung. Das ist der Grund für die Erschöpfungserscheinungen der Erde in Form von Klimawandel und der Menschen in Form von immer mehr physischen und psychischen Erkrankungen.
Profitables Wellness
Ebenso hinterfragt werden müssen intensive Formen der Entspannung, heute unter dem Begriff „Wellness” zusammengefasst. Damit werden die Menschen in eine profitable Wellness-Maschinerie eingespannt, um sich auf eigene Kosten etwas vom krankmachenden Arbeitsalltag zu erholen, statt sinnvollerweise den Arbeitsalltag zu erleichtern.
Ganz zu schweigen von den positiven Nebeneffekten ökologischer Wirkung einer Arbeitszeitverkürzung: wie beispielsweise der Verringerung des Berufsverkehrs bei einer Viertagewoche.
- Simon Schaupp: Stoffwechselpolitik, Arbeit, Natur und die Zukunft des Planeten, Suhrkamp Verlag
(Die Arbeit, Nr. 4/2024)
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