Fauxpas um Fauxpas

eht es um die Vertretung von Arbeitnehmer_innen und deren Rechte, so wähnt man sich in Österreich zur Zeit im falschen Film – ein Fehltritt jagt den nächsten.

Fauxpas Nummer 1

Einen Tag vor dem Kampftag der Arbeiterinnen und Arbeiter macht ein Interview mit dem ÖGB Präsidenten Erich Foglar die Runde: »Die Wiener SPÖ und die Bundes-SPÖ haben sich strikt gegen eine Koalition mit der FPÖ ausgesprochen […] man kann die 35-Prozent Hofer-Wähler nicht ins rechte Eck stellen. Viele dieser Menschen sind ehemalige SPÖ-Wähler und […] meiner Meinung nach können wir nicht jede Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ von vornherein ausschließen.« Foglar sagt richtig: »Gerade der ÖGB ist antifaschistisch!« Eine Wahlempfehlung gegen den deutschnationalen Präsidentschaftskandidaten wäre daher aus unabhängiger Gewerkschaftssicht angebracht gewesen. Seine Aussagen können aber durchaus als Freibrief für die Hofer-Wahl gewertet werden.

Wenn sich die Sozialdemokratie selbst ganz kaputt machen will, dann es ist es ihre Sache. Aber Foglar ist nicht Vorsitzender der SPÖ und auch nicht der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter_innen (FSG), sondern vertritt als Gewerkschaftspräsident die Interessen aller Mitglieder – parteipoltisch unabhängig war seine Aussage aber keinesfalls. Es ist untragbar, wenn er über die Medien Empfehlungen für etwaige Koalitionen der SPÖ mit der (rechtspopulistischen, gewerkschaftsfeindlichen) FPÖ, die unter anderen mit der Abschaffung der Pflichtbeiträge die Arbeiterkammer zerschlagen will, ausrichtet.

Fauxpas Nummer 2

Nur wenige Tage später verkündet Österreichs Parade-»Dosinger« Mateschitz, dass sein TV-Sender zu viele Kosten verursacht und daher eingestellt wird. 264 Kündigungen stehen an und wurden bereits dem AMS mitgeteilt. Die mögliche Gründung eines Betriebsrates habe seine Entscheidung wesentlich beeinflusst, so seine Stellungsnahme für die Öffentlichkeit. Wo sind wir denn? Sowas gibt’s im Red-Bull-Konzern nicht und wird’s sicher auch in Zukunft nicht geben… Im Mateschitz-Sender startet sofort eine »unabhängige Umfrage« über das Sein oder Nichtsein eines Betriebsrates. »Freiwillig« und »ohne Druck der bevorstehenden Kündigungen« haben sich dann über zweihundert der Beschäftigen gegen die Wahl eines Betriebsrates ausgesprochen. Die GPA-djp ist derweil »traurig« und überdenkt den Übergang in die Phase der Fassungslosigkeit und des Entsetzens. Boykottmaßnahmen oder gar ein Arbeitskampf im gesamten Konzernbereich sind nicht geplant.

Ebenfalls nicht geplant ist eine Muster-Sammelklage wegen Motivkündigung, um zukünftig einen Riegel gegen solche »unternehmerischen Demokratieverstöße« zu haben. Immerhin hat Mateschitz ja selbst die Schaffung eines Betriebsrates als eines der Kündigungsmotive öffentlich angegeben. Lieber gibt man »Entwarnung«: Nach einem »Gipfel« mit Mateschitz, AK und ÖGB wird der Sender weiterbestehen und die Kündigungen werden zurückgenommen – mit der gleichzeitigen Ankündigung, dass auch AK und ÖGB das »unabhängige Umfrageergebnis« der Belegschaft akzeptieren und sich nicht in die inneren Angelegenheiten einzumischen haben. Und die unbefriedigende Kostensituation des Senders? Sie ist weder gelöst, noch hat sie bei der »Wiedergründung« des Dosen-Senders eine Rolle gespielt.

Und das war’s jetzt? Auf das erpresserische Angebot eingehen, das Nichtinstallieren eines Betriebsrates zur Kenntnis nehmen, zur Tagesordnung übergehen und warten bis Herr Mateschitz wieder rülpst und ein paar hundert Kolleg_innen kündigen will? Der GLB-Salzburg fragt da berechtigt: »Ein großartiger Sieg, oder ein zu Kreuze kriechen vor der Macht des neoliberalen Kapitals?«

Postskriptum

Über das Abhalten einer Betriebsratswahl kann nach gültigen Recht nicht abgestimmt werden: In der Betriebsrats-Wahlordnung 1974 heißt es im §1. Abs. 1 »In jedem dem II. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974, unterliegenden Betrieb (§§34, 35, 134 und 134a ArbVG), in dem dauernd mindestens fünf in der Betriebs(Gruppen-, Betriebshaupt)versammlung stimmberechtigte Arbeitnehmer (§49 Abs. 1 ArbVG) beschäftigt werden, ist ein Betriebsrat zu wählen.« Was kommt als nächstes? Verlangt ein »findiger Mateschitz« in Zukunft – wenn’s ins unternehmerische Konzept passt – die Aussetzung von Gemeinderatswahlen und lässt »zugunsten von ein paar Arbeitsplätzen« die Bevölkerung für das Nichterwünschtsein der Gemeindevertretung unterschreiben? Wie meinte der blaue deutschnationale Präsidentschaftskandidat: Wir werden uns noch wundern, was alles in Österreich möglich ist!

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