Scheiden tut (nicht) weh!

Die Sozialpartnerschaft ist ein „instrumentalisiertes Bündnis“ zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressensvertretung. Sie ist nach den Oktoberstreiks 1950 entstanden, um Arbeitskonflikte und -kämpfe weitgehend in die Schubladen zu verbannen. Eine Erfolgsgeschichte, wenn man den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer*innen glaubt – jährlich präsentieren sie stolz die Streikdauer in Sekundhöhe. Oder zeigt das nur, dass die österreichische Arbeiter*innenbewegung durch die Sozialpartnerschaft geschwächt wurde?

Begonnen hat sie wie jede andere Partnerschaft auch. Harmonisch wurden im „Ehebett“, wenn auch nicht immer gleichberechtigt, Teuerungsabgeltung, Wirtschaftsaufschwung- und Produktivitätsgewinne, Arbeitszeitverkürzung, Urlaubsverlängerung eng umschlungen abgehandelt.

Die Wende im Osten war auch die Wende bei der Sozialpartnerschaft. Bei der Wirtschaft wurde aus Zweisamkeit dominantes Diktat: Mit Sozialabbau und Arbeitszeitverlängerung und in den Betrieben und Branchen tauschten sie einseitig etliche Kollektivverträge gegen billigere, oder kündigten sie gleich auf. Auch bei den jährlichen Lohnverhandlungen knatschte es jetzt öfter, letztendlich landete man immer nur bei „Versöhnungssex“.

Jetzt herrscht nur mehr Spott und Hohn, also psychische Gewalt. Nicht einmal zur vollen Abgeltung der Teuerungsverluste sind die Unternehmen bereit. Gewerkschaft verlässt (kurzfristig) mit Protest, Demonstration und Streik das gemeinsame Haus. Nachdem die Herren der Wirtschat Besserung versprechen, kehrt sie sich entschuldigend, reumütig in das gemeinsame Ehebett zurück.

Aus Gewaltehen kennen wir das Muster, entweder wird mit Hilfe und Trennung die Partnerschaft vorzeitig beendet oder sie endet in einer Katastrophe – das gilt auch bei der herrschenden Sozialpartnerschaft. Eine Scheidung hindert uns noch immer nicht, uns weiter am Verhandlungstisch zu treffen. Es ermöglicht uns aber auch zu kämpfen und zu streiken, wenn vom Gegenüber unsere Interessen mit den Füßen getreten werden- nicht nur kurz warnend, sondern länger und durchsetzend.

(Geschrieben für die Sondernummer der GLB-Zeitschrift „Die Arbeit“)

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