Von einem Sündenfall in die Höhle der Löwen

Wer kann noch erinnern? Bis 1987 war in Österreich am Samstagmittag Schluss mit Einkaufen. Jedoch im Dezember gleichen Jahres hob der Verfassungsgerichtshof – auf Betreiben der Trachtenhändlerin und Ladenschluss-Rebellin Gesine „Gexi“ Tostmann – Teile des Ladenschlussgesetzes auf. Im folgenden Ladenschlussversuch durften Geschäfte einen Nachmittag bis 17 Uhr offenhalten. Da von der Gewerkschaft kein namhafter Gegendruck entwickelt wurde, wurde im Dezember 1989 der Modellversuch in Gesetzesform gegossen.

Aber nicht genug, Wirtschaftskammer und Handelsverband räuberten weiter für längere Öffnungszeiten, bis hin zu einem Ladenöffnungsgesetz, dass das Samstagöffnen der Geschäfte von 5 Uhr früh bis 18 Uhr abends ermöglichte. Auch hier war der Widerstand der Gewerkschaft rasch enden wollend. Angeblich war Organisationsgrad im Handel zu schwach und man konnte bloß um kollektivvertragliche Zuschläge für die zusätzlichen Öffnungszeiten verhandeln.

Löwe Eins und Löwe Zwei, oder Hartlauer und Lugner

Zwischenzeitlich hatte ein „Löwe“ eine andere Idee, die gesetzlichen Öffnungszeiten zu durchbrechen. Franz Josef Hartlauer hatte es der geschäftsfreien Marienfeiertag angetan und er ließ gesetzeswidrig „sein Haus in Linz“ auf der Landstraße 101 am 8. Dezember offen. Eon Affront, der selbst der Gewerkschaft Zähne zeigen lies. Eine Großdemo mit Zubringerbussen aus ganz Österreich wurde organisiert. Nur, ein altes Sprichwort besagt, dass angesagte Revolutionen nicht stattfinden, und so war es dann auch mit der Großdemo. Sie wurde von der GPA kurzfristig abgesagt und diese lasche Gewerkschaftshaltung zog dem Mobilisierungsfaktor bei Handelsangestellten und Konsument*innen weitere Zähne.

Dem Hartlauer-Löwen folgte ein Bau-Löwe. Richi Lugner, er seiner „Mausi“ in Wien ein Einkaufstempel errichtete, posaunt jetzt ständig Sonntagsöffnung, Sonntagsöffnung, Sonntagsöffnungggggg. Für diesen Ruf müssen auch Corona und Lockdown herhalten, denn der offene 4. Adventsonntag und die dabei zu erwartenden klingenden Kassen soll den Schaden für die armen Händler*innen etwas abfedern. Ein Weihnachtstraum, dem sich Wirtschaftskammer und Handelsverband gerne anschlossen.

4. Adventsonntag offen, GPA am grünen Tisch zugestimmt

Dass ihnen nur wenige Wochen vorher, die Corona-Inflations- und Gehaltsausfallschäden ihrer Mitarbeiter*innen bei den KV-Verhandlungen am Arsch vorbei gingen spielt keine Rolle mehr. Ihre Verkäufer*innen wurden ohnehin fleißig mit Applaus belohnt.

Die Handelsgewerkschaftsführung etwas gelernt – NEIN, statt sich diesmal vehement gegen den offenen Adventsonntag zu wehren, wurde wieder einmal der grüne Tisch der (Un)Sozialpartnerschaft gewählt und wurde wieder über diesen gezogen. Und wieder sind es die „bösen“ Kolleg*innen vor Ort, die sich nicht und nicht ordentlich organisieren wollen. Sich einmal selbstkritisch zu hinterfragen, warum sich der Organisationsgrad im Handel in den letzten Jahren nicht verbessert, sondern eher noch verschlechtert hat, auf diese Idee kommen sie nicht einmal.

Die Tür zur Sonntag-Ladenöffnung ist damit einen Spalt offen, auch wenn das von GPA-Führungsspitze vehement bestritten wird. Die Antwort auf ihr Erklärung, dass es sich nur um eine einmalige Ausnahme und es so eine es auch schon bei der Hochwasserkatastrophe und bei der Fußball-Europameisterschaft gegeben hat lautet meinerseits: Abgesehen davon, dass ihre Argumentation schon einer einmaligen Ausnahme widerspricht, ist es eine Tatsache, dass die Adventsonntage jährlich stattfinden. Bei Hochwasserkatastrophen und heimmischen Fußball-EMs kann ich das nicht sehen.

Conclusio:

Schwarzmalerei meinerseits? Ein Blick in die Geschichte zeigt zumindest, dass die Gefahr zumindest für weitere Adventsonntagen nicht unreal ist: 1893 wurde in Wien der 4. Adventsonntag ausnahmsweise geöffnet. Nach vollen Geschäften und prallen Kassen wurde aus der einmaligen Ausnahme, der Goldene Sonntag am 4. Advent und der Silberne am 3. Adventsonntag. Und das insgesamt 68 Jahre lang, bis 1961 der Wiener Bürgermeister Franz Jonas die Verordnung zu den „Sonderbestimmungen über die Sonntagsarbeit“ aufhob.

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