30 Wochenstunden sind normal

Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung ist emotionsbeladen. Während die einen, die Unternehmensführungen, den Existenzuntergang herbeischwören, sind die anderen, die Gewerkschaftsführenden, endlich aus dem jahrzehntelangen Tiefschlaf erwacht. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung – auch bei vollem Lohn- und Personalausgleich – wird nicht mehr stiefmütterlich behandelt.

Zur Erinnerung, die Gesundheits- und Pflegebeschäftigten gingen bei den Kollektivvertragsverhandlungen schon vor der Coronakrise mit Unterstützung der Zivilbevölkerung für eine 35-Stundenwoche auf die Straße. Corona bescherte ihnen dann zusätzlich viel Applaus aus der Bevölkerung. Von den Gewerkschaften GPA und vida kam es allerdings zu einem „etwas sonderbaren KV-Abschluss“ mit einer marginalen Verkürzung ihrer Arbeitszeit – und das ohne Lohnausgleich.

Dank Arbeitsminister Kocher und ÖVP-Kanzler Nehammer poppt die Arbeitszeitdiskussion erneut auf. Ihre mit AMS-Chef Kopf gemeinsame Stoßrichtung ist allerdings nicht die Verkürzung der Arbeitszeit. Sie wollen Teilzeitkräfte – wenn´s notwendig ist, mit Bestrafung – zur Vollzeit bringen, denn Arbeitszeitverkürzung ist angesichts des herrschenden Arbeitskräftemangels unmöglich! Obwohl, das „AMS-Kopferl“ kann sich zumindest weniger Wochenstunden, aber ein höheres Pensionsalter vorstellen.

Durchschnittliche Arbeitsleistung bei 30 Wochenstunden

Haben die Schwarzmander aber auch recht, wenn sie meinen, Arbeitszeitverkürzung sei unmöglich und schade den ohnehin ausgelaugten Arbeitsmarkt? Statistisch gesehen sicher nicht. Denn laut Statistik Austria liegt beim österreichischen Gesamtarbeitsvolumen die durchschnittliche pro Kopf Arbeitszeit schon jetzt bei 30 Wochenstunden. Nur eben sehr ungleich verteilt: Einerseits, dass viele in Teilzeit und andere in Vollzeit oder gar mit Überstunden arbeiten müssen und anderseits zusätzlich ungerecht zwischen den Geschlechtern verteilt, denn bereits jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit, bei den Männern ists es nur jeder Achte.

Die derzeitige Gesamtarbeitsvolumenverteilung bedeutet, dass durch eine Neuverteilung der gesetzlichen Normalarbeitszeit auf 30-Stundenwochen und gleichzeitiger pro-Kopf-Neuverteilung des Gesamtarbeitsvolumens nichts an der derzeitigen Gesamtzahl aller Beschäftigungsverhältnisse verändert. Was sich verändert ist, dass viele Teilzeitkräfte zu Vollzeitbeschäftigten werden und die Arbeitsbelastung der Einzelnen reduziert wird.

Lohnausgleich kein wirkliches Hindernis

Aus den verschiedensten Modellversuchen wissen wir, dass die Verkürzung der Wochenarbeitszeit nicht nur eine ausgeglichenere Work-Life-Balance bringt, sondern sich auch positiv auf Wohlbefinden und Gesundheit auswirkt. Teure Krankenstandstage werden deutlich weniger. Aber auch  die Zusatzkosten für Überstunden reduzieren sich durch die Neuverteilung der Arbeitszeit drastisch. Zusätzlich bringt die verbesserte Einkommenssituation der „neuen Vollzeitkräfte“ einen großen Kaufkraftschub.

Ein positiver Nebeneffekt der Arbeitszeitverkürzung ist nach diversen Berichten von den Modellunternehmen, dass sie aufgrund der attraktiveren Arbeitszeitmodelle wieder leichter ihren Personalbedarf abdecken können.

Bleibt abschließend die Frage warum sich Österreichs Gewerkschaften mit der Verkürzung der Arbeitszeit mit 38, 37 oder 35 Stunden die Woche herumquälen, wenn – zumindest rein rechnerisch – die 30-Stundenwoche bereits Normalzustand ist.

Das extrem verdichte Leistungsniveau und die daraus jahrzehntelang vorenthaltene Produktivitätsgewinne verlangen eigentlich schon längst die 25- oder 20-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Denn wie meinte ein nicht gerade der Linken zuordenbarer Ökonom 1930: Die Menschen werden in 100 Jahren nur mehr drei Stunden am Tag und 15 Stunden in Woche arbeiten müssen…

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