Lohnerhöhungen fallen nicht vom Himmel. Eine Weisheit, die stimmt, aber auch bei dieser Herbstlohnrunde stellt sich die Frage, mit der vielgepriesenen Sozialpartnerschaft oder mit einem „Zurück in die Zukunft” zur frühen klassenorientierten und kämpferischen Arbeiter:innenbewegung.
Traditionellerweise startet die Metallindustrie die Herbstlohnrunde. Deren Abschluss gilt dann als Leitlinie für die folgenden KV-Verhandlungen. Das ist heuer anders, die Metaller:innen haben sich im Vorjahr einen demobilisierend wirkenden Zwei-Jahres-Abschluss aufschwatzen lassen. So erhöhen sich ab dem 1. November ihre Löhne um die durchschnittliche Inflation plus ein Prozent.
Das maue Plus von 4,8 Prozent ist nicht einmal das Ende der Fahnenstange. Über eine Wettbewerbsklausel für „personalintensive Betriebe im internationalen Wettbewerb” kann ein Teil der KV-Erhöhung durch Einmalzahlung, Freizeit oder Aus- und Fortbildungsmaßnahmen noch geschmälert werden. PRO-GE-Chef Reinhold Binder beschwichtigt allerdings. Heuer hätten nur 70 Betriebe die Ausstiegsklausel in Anspruch genommen. WKO-Chefverhandler Christian Knill kontert, dass es sich allerdings um große Unternehmen mit zehn Prozent aller Beschäftigten handelt. Und 2025 erwartet er deutlich mehr.
Für diese Herbstlohnrunde gilt daher „Es gibt nichts Schlechtes, an dem nicht auch etwas Gutes ist”. So eröffnet sich heuer für die diversen herbstlichen KV-Lohnverhandlungen die Chance, ohne auf den „Metaller-Leithammel-Vertrag” schielen zu müssen, verhandeln zu können und dadurch den Nachholbedarf von bis zu monatlich 500 Euro zu den Metaller-Kolleg:innen deutlich zu verringern
Herbstlohnrunde startet mit Dämpfer
Die bereits abgeschlossenen Verhandlungen beim Brauerei-KV-Abschluss lassen allerdings wieder Schlimmes befürchten. Die „etwas erweiterten Heineken-Jünger“ wollten ihren Beschäftigten keine nachhaltige Lohnanpassung zugestehen. Ihr Angebot lag bei einer nicht berauschenden 2.000 Euro-Einmalprämie. Letztendlich kam´s mit plus 3,9 Prozent zur Abgeltung der rollierenden Inflation: „Null Komma Josef” bei den Rahmenbedingungen, der Arbeitszeitverkürzung und der Produktivitätsabgeltung.
Es folgen die KV-Verhandlungen der Sozialwirtschaft (SWÖ), des Handels, der Eisenbahnwirtschaft und noch einige mehr. Auch wenn in der Rhetorik der Gewerkschaften wie GPA oder vida Worte wie „eine spürbare und dauerhafte Erhöhung der Gehälter, Löhne und Lehrlingseinkommen über der rollierenden Inflationsrate“ oder „zusätzliche Freizeittage” zu hören sind, war schon die Präsentation der tatsächlichen Forderungen „sehr bescheiden”.
Ein 6,1-prozentiges Gehaltsplus wird für die 130.000 Sozial- und Gesundheitsbeschäftigten verlangt, gar nur 4,8 Prozent für die 600.000 Handelsangestellten. Selbst diese „moderaten” Angebote sind den Unternehmen zu viel. „Höchstens die durchschnittliche Inflation” (heißt übersetzt, besser noch weniger) lautet ihr offizieller Verhandlungs-Sprech. Als „gelernte Gewerkschafter:in” weiß man, dass damit ein Abschluss im besten Falle knapp über der rollierenden Inflation liegen wird. Und das in Branchen, deren Mindestgehalt bei Vollzeitarbeit bei knapp über der 2.000 Euro brutto, bzw. 1.600 Euro netto liegt und rund die Hälfte der Beschäftigten im Handel und fast drei Viertel in Sozialwirtschaft mit ihrer Teilzeitbeschäftigung auch nur ein Teil-Mindesteinkommen zum Leben bleibt.
Arbeitszeitverkürzung und Mindestlohn-General-Kollektivvertrag?
Bleibt das Hoffen auf Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn- und Personalausgleich, aber die Erfahrung zeigt, dass darauf gerne „vergessen” wird. Viel anderes ist auch für die KV-Verhandlungen in der Reinigungsbranche, der Eisenbahnwirtschaft, den Handelsarbeiter:innen, der Güterbeförderung oder den privaten Autobusfirmen zu erwarten. Etwas anders ist nach KV-Verhandlung der Gewerkschaft vida, dass ihre Mitglieder immer öfter über das vorliegende Ergebnis zumindest online abstimmen können. Solche Ansätze in Richtung Urabstimmung könnten sich auch die anderen Gewerkschaften zum Vorbild nehmen.
Am 20. ÖGB-Bundeskongress kündigte Präsident Wolfgang Katzian einen General-KV für einen Mindestlohn von 2.000 Euro an. Ein Sager, der sich genauso wie die „blau-schwarze Patient:innenmilliarde” als Marketing-Gag herausstellt.
Als Grund für die gewerkschaftliche Nichtumsetzung wird angegeben, dass ohnehin nur mehr rund 100.000 Kolleg:innen unter dem 2.000-Euro-Mindestlohn liegen und nur mehr ein, zwei Jahre. Real handelt sich aber ein Gemisch aus dem Verlust klassenbewussten Handelns und Angstschweiß vor unverschämten sozialpartnerischen Abtausch-Forderungen. Da stellt sich wiederum die Eingangsfrage: Braucht es nicht dringend ein „Zurück in die Zukunft” der frühen klassenorientierten und kämpferischen Arbeiter:innenbewegung?
(Vorab mein Beitrag zur laufenden Herbstlohnrunde für die GLB-Zeitschrift „Die Arbeit“)
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